BGH-Verhandlung zum Mercedes-Abgasskandal abgesagt – Oberlandesgerichte verurteilen Daimler

Im Mercedes-Abgasskandal hat der Bundesgerichtshof bereits zum zweiten Mal einen Verhandlungstermin kurzfristig abgesagt. Die für 14.12.2020 geplante Gerichtsverhandlung fand nicht statt, weil die Klägerin ihre Revision zurückgezogen hatte (BGH VI ZR 314/20).

In dem vor dem BGH geplanten Verfahren wäre es darum gegangen, inwieweit das von Daimler bei der Abgasreinigung u.a. verwendete Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Konkret wäre es um einen Mercedes E 350 CDI mit dem Dieselmotor OM 642 gegangen. Das sog. Thermofenster kommt aber auch bei anderen Mercedes-Dieselfahrzeugen zum Einsatz. Modelle mit dem Motor OM 651 sind z.B. ebenfalls betroffen.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Zulässigkeit des von Daimler bei diesen Motoren verwendeten Thermofensters bleibt also vorerst aus. Den nächsten Termin hat der BGH für den 09.03.2021 anberaumt (BGH VI ZR 813/20). Dann geht es um das Thermofenster bei einem Mercedes GLK 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651.

Geschädigte Mercedes-Käufer müssen allerdings nicht auf eine höchstrichterliche Entscheidung im neuen Jahr warten. Die Rechtsprechung im Mercedes-Abgasskandal hat sich zuletzt in einigen OLG-Bezirken sehr verbraucherfreundlich entwickelt. Neben verschiedenen Landgerichten haben die Oberlandesgerichte Naumburg und Köln Daimler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung im Abgasskandal zu Schadenersatz verurteilt. Die Revision zum BGH haben die beiden Oberlandesgerichte nicht zugelassen.

OLG Naumburg Az.: 8 U 8/20 – Urteil vom 18.09.202

Vor dem OLG Naumburg ging es um einen Mercedes GLK 220 CDI 4Matic, Baujahr 2013 mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 5. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte im Juni 2019 einen verpflichtenden Rückruf aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung angeordnet. Die Behörde bemängelte die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung. Sie sorge zwar im Prüfmodus dafür, dass die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß eingehalten werden. Allerdings ist diese Funktion im realen Straßenverkehr weitgehend deaktiviert, mit der Folge, dass der Emissionsausstoß wieder steigt

Der Kläger hatte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Neben der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung komme auch noch ein Thermofenster bei der Abgasrückführung zum Einsatz.

Das OLG Naumburg gab der Klage weitgehend statt. Daimler habe den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht aus der Welt schaffen können und nicht dargelegt, warum es sich bei der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung um eine zulässige Funktion handeln sollte. Daimler wurde daher zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könne der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.

OLG Köln Az.: 7 U 35/20 – Urteil vom 05.11.2020

Auch das OLG Köln entschied, dass Daimler wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadenersatz verpflichtet sei. In diesem Fall ging es um einen Mercedes 250 Diesel „Marco Polo“ mit dem Motor OM 651 und der Abgasnorm Euro 6. Auch für das Wohnmobil hatte es einen Rückruf des KBA gegeben. Der Kläger machte Schadenersatzansprüche geltend, weil Daimler in dem Fahrzeug eine ganze Reihe von Funktionen verwende, die im Ergebnis eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellten. Neben Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und Thermofenster führte der Kläger u.a. noch eine Aufwärmfunktion verbunden mit Erkennung des Prüfstands an, und die Verwendung unterschiedlicher Modi in der Motorsteuerung.

Das OLG Köln folgte der Argumentation des Klägers. Daimler habe den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht widerlegen können, und nur unvollständige und stark geschwärzte Dokumente vorgelegt. Auch hier hat der Kläger Anspruch auf die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

„Die Urteile zeigen, dass Mercedeskäufer zumindestens mit dem Dieselmotor OM 651 gute Chancen haben, Schadenersatzansprüche durchzusetzen“, sagt Rechtsanwalt Staudenmayer. Noch mehr Klarheit könnte in Kürze vom Europäischen Gerichtshof kommen.

EuGH entscheidet zu unzulässigen Abschalteinrichtungen

Beim EuGH wird im Verfahren C-693/18 ein Urteilsspruch im Abgasskandal erwartet. Ursprünglich geht es in dem Verfahren noch um die Abgasmanipulationen bei VW-Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189. Die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston ist mit ihrem Schlussantrag vom 30.04.2020 jedoch weiter gegangen, und hat erklärt, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigungen zulässig. Funktionen, die den Motor langfristig vor Versottung schützen sollen, zählten nicht zu diesen Ausnahmen. Ein Urteil wird am 17.12.2020 erwartet.

„Daimler dürfte es im Falle einer dementsprechenden Verurteilung noch schwerer fallen, Funktionen wie ein Thermofenster als zulässig darzustellen“, so Rechtsanwalt Staudenmayer.

 

 

 

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